Klaus Fabricius und das Ende der Gemütlichkeit

Petra Mostbacher-Dix - Stuttgarter Zeitung - 06.02.2006

In Herrenberg will der Stuttgarter Künstler zeigen, dass auch die Kunst zur Brandstiftung taugt - Politische Positionen. Die Bilder und Objekte von Klaus Fabricius haben es sozial, politisch und menschlich in sich.

Nun zeigt der gebürtige Paderborner im Herrenberger Rathaus, was er während der letzten 20 Jahre geschaffen hat.

Ein Stein steckt wie ein Fels im Sofa und ruiniert die häusliche Atmosphäre samt schicker Stehlampe. "Das Ende der Gemütlichkeit"

nennt Klaus Fabricius seine Assemblage aus Druck und echtem Pflasterstein. Sie könnte für die Schau in der Stadtgalerie Herrenberg stehen.
"Andere benutzen ein Feuerzeug, aber es geht auch anders", ist diese betitelt und die Werke des Künstlers beweisen, dass man auch mit Kunst
politisch zur Sache gehen kann.

Da werden etwa in einer Reihung aus Objektkästen Ereignisse wie die Entführung von Hanns Marlin Schleyer im deutschen Herbst 1977 oder
die Barschel-Affäre 1987 thematisiert: Aus allen integrierten Jahreszahlen ergibt sich die "Quersumme 45", eine Zahl, die für das Kriegsende steht. "
Das kann man als Ende oder als Anfang der Kultur verstehen", so Fabricius, der einstige Glasmaler, der an der Staatlichen Akademie der
Bildenden Künste in Stuttgart studiert hat.

Einflüsse sind in seinen "Kathedrale"- Leinwänden zu sehen, wo dank Polyurethan-Schaum und Asphalt dle Kirchenbauwerke beeindruckend,
gleichwohl fast bedrohlich daherkommen. Materialismus anderer Art findet sich in "Black Market ll". Ein kleines, feines Quadrat echten Blattgolds
sitzt mitten in einer südamerikanischen Marktszene. Moderne Konquistadoren?

Die Motive stammen freilich aus der schönen neuen Medienwelt, die der 49-Jährige vom Bildschirm abfotografiert und auf Leinwände oder Folien
transferiert, mitunter mit Flimmern kombiniert. So wird das "Frühststücks- Fernsehen" samt Besteck serviert: als Minimonitor auf einem Teller.
"lch beobachte die Zeichen der Zeit", so der Stuttgarter.

lm "Kunstlerleben" dreht sich drum viel sagend eine Kasperlepuppe im - Kreis. Gegenüber lodert in grüner Bildidylle eine rote "Brandstätte"
aus spitzen Schnipseln. "Das Feuer als eine der wichtigsten Erfindungen ist ein Ort zum Wärmen", so der 49-Jährige, "aber es kann
auch sehr zerstörerisch sein."

Der verletzte "Marat" beweist es. Der Kopf des Mannes, der für Freiheit. Gleichheit und Brüderlichkeit kämpfte und selbst von der Revolution
gefressen wurde, ist dick bandagiert, der Körper ausgemergelt. Anders als in Jacqües Louis Davids Gemälde "Tod des Marat" von 1793 ist es kein
Märtyrer, sondern ein dem Tode naher Mensch. Lässt Guantänamo grüßen? "Folter, Mord und Tod eignen sich nicht für eine stilvoll überhöhende
Darstellung", betont Galeriechef Helge Bathelt. "Es gibt keine Ästhetik des Leidens."


Bis 25. März
montags bis mittwochs 8.30 bis 17 Uhr, donnerstags bis 18.30 Uhr, freitags bis 12 Uhr; samstags 9.30 bis 12Uhr